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"Für Leben ohne Hass" und "Zukunft Heimat". Zwei Demos in Cottbus

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Am morgigen Samstag sind zwei Demonstrationen in Cottbus angemeldet. Eine ist von einer Gruppe Flüchtlinge organisiert, die sich nach den Vorfällen am Blechen Carré zusammengetan haben und deutlich machen wollen, dass nicht alle so sind, sie mit den Tätern nichts zu tun haben und in Ruhe hier leben wollen. Sie plädieren für ein friedliches Miteinander, verurteilen die Messerattecken der vergangenen Wochen und gehen für "ein Leben ohne Hass" auf die Straße, was auch das Motto der Demonstation um 11 Uhr auf dem Cottbuser Altmarkt ist. Am gleichen Tag um 14 Uhr hat  der Golßener Verein "Zukunft Heimat" zu einer Demonstration auf dem Oberkirchplatz aufgerufen, wie schon am 20.01. Damals hatten laut Veranstalter zwischen 1.500 und 2.000 Menschen teilgenommen, Polizeikreise sprachen von 700 Teilnehmern. Dabei arbeitet der Verein mit der vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären Bewegung", der AfD-Brandenburg und der rechtsextremen "ein Prozent" zusammen - die mittlerweile bundesweit Spenden für die Anti-Asyl-Kampagne in Cottbus sammelt.

Von den Organisatoren von "für ein Leben ohne Hass" heißt es: "Wir sind Menschen aus Syrien, Afghanistan, Libanon und Deutschland und leben gemeinsam in Cottbus. Wir spüren, dass sich seit Anfang des Jahres die Atmosphäre in unserer Stadt verändert hat. Die körperlichen und verbalen Übergriffe untereinander nehmen zu. Vor allem die beiden Vorfälle am Blechen Carré werden jetzt genutzt, um die Stimmung mit einer fremdenfeindlichen Kampagne anzuheizen. Die dadurch entstehende Angst treibt uns auseinander. Es kommt zu Diskriminierungen und Pauschalisierung von Geflüchteten als Gewalttäter – doch Gewalt ist keine Frage der Herkunft! Wir wollen gemeinsam für ein friedliches Miteinander eintreten, in dem alle Menschen gerecht behandelt werden. Cottbus ist die Stadt von uns allen. Wir wollen hier gemeinsam leben. Unser Zusammenleben soll von Frieden, Solidarität und Respekt geprägt sein – dafür steht das Symbol der Yasminblume. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und die Angst voreinander überwinden können!"

In Internetgruppen wird von Befürwortern der "Zukunft Heimat" Demonstration dazu aufgerufen, "nüchtern, ohne Hunde, und natürlich ohne auffällige Kleidung die auf eine bestimmte Gesinnung oder in Uniform-Art auf eine zusammengehörige Gruppe schließen lässt." zu erscheinen.

Beide Demos richten sich ansich gegen Gewalt, theoretisch die gleichen Ziele, nur praktisch stehen sich beide sehr konträr gegenüber, da sich unter den "Zukunft Heimat"-Teilnehmern zwischen denen, die um ihre Sicherheit besorgt sind und wollen, dass der Staat kriminell gewordene Flüchtlinge/Ausländer konsequent abschiebt, sich auch generell fremdenfeindlich und staatsfeindlich eingestellte Menschen ("Merkel muss weg", "Volksverräter" usw.) befinden, die sich in den Internet-Kommentarspalten zu der Demo äußern und vor Ort dabei sind.

Offener Brief von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der BTU Cottbus-Senftenberg

Als Lehrende und Forschende am Institut für Soziale Arbeit der BTU nehmen wir Stellung zur aktuellen Debatte um Alltagsrassismus und Gewalt in unserer Stadt. Wir tun dies, weil Wissenschaft die Aufgabe hat, sich für Demokratie, gegenseitigen Respekt und Menschenwürde einzusetzen.

Mit Sorge nehmen wir die rassistische Gewalt von Personen wahr, die sich in der (extremen) Rechten organisieren. Der Zusammenschluss von rechtspopulistischen und rechtsextremen Gruppierungen in der Organisation "Zukunft Heimat" verbreitet eine Stimmung von Hass und Gewalt. Diese Stimmung trifft alle Menschen, die nicht in das völkische Weltbild passen. Die Statistiken der Berater_innen der Opferperspektive e.V. zeigen eine Zunahme von Fällen, in denen Geflüchtete und Einheimische, die sich für Demokratie einsetzen, von dieser Gewalt betroffen sind. Die Angst vor rassistischer Gewalt hat für viele Personen in Cottbus einen realen Hintergrund, viele haben Angst, auf die Straße zu gehen, weil ihnen bereits rassistische Beschimpfungen und/oder Bedrohungen widerfahren sind. Diese Angst geht uns alle an: Wir rufen dazu auf, eine kritische öffentliche Debatte über die Ursachen zu führen und gemeinsam Wege hin zu einem friedlichen, solidarischen Miteinander in der Stadtgesellschaft mit allen hier Lebenden zu entwickeln.

Mit Sorge haben wir einzelne Gewalttaten zur Kenntnis genommen, die von Geflüchteten ausgingen. Wir wurden Zeugen, wie diese unterschiedlichen Taten auf das Merkmal "Flüchtling" reduziert wurden. Dort, wo es nötig gewesen wäre, die individuellen Hintergründe zu beleuchten, wird allein der Umstand, dass die Tatverdächtigen "Fremde" sind, zu einem scheinbar logischen Erklärungsmodell. Mehr noch: So wird der Eindruck erweckt, als seien Flüchtlinge und andere Zugewanderte generell gefährlich oder gar gewalttätig. Dass Gewalt generell - egal von wem sie ausgeht - nicht akzeptabel und juristisch zu ahnden ist, ist aus unserer Sicht selbstverständlich; Gewalt zu ethnisieren, ist jedoch ein Problem und hilft uns nicht weiter.

Mit Sorge blicken wir seit langem auf die zunehmende Ausbreitung rassistischen Denkens und Handelns in unserer Stadt. Rechtsextreme Gruppen versuchen, systematisch die Verunsicherung in der Bevölkerung für ihre Zwecke zu nutzen. Dabei resultiert diese Verunsicherung aus den großen strukturellen Veränderungen, denen die Stadt Cottbus und die gesamte Lausitz unterworfen ist. So verbindet sich der offene Rassismus der Wenigen mit der Verunsicherung der Vielen. Geflüchtete, Zugewanderte und Schwarze Menschen, die schon lange hier leben oder hier geboren wurden, sind die Opfer dieser Kampagnen: Sie müssen immer häufiger mit Beschämung, Diskriminierung bis hin zu Angst vor Gewalt leben, weil ihnen subtil oder offen in dieser Stadt ein friedliches Leben verweigert wird.

Mit Sorge erfüllen uns Ergebnisse des Krisentreffens zwischen der Cottbuser Stadtverwaltung und Brandenburgs Innenministerium, zu denen gehört, vorläufig keine weiteren Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Cottbus aufzunehmen. Auch wenn die Forderung der Stadtverwaltung nach einem vorläufigen Zuzugsstopp schon viel länger besteht, entsteht der Eindruck, dass dieser Forderung aufgrund der gegenwärtigen menschenverachtenden oder rechten Hetze nachgegeben wurde. Dabei müssen wir hier aus Fehlern der Vergangenheit lernen: Wir wissen heute, dass die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 als Reaktion auf die Pogrome in Hoyerswerda (1991) und in Rostock (1992) dazu führten, dass Neonazis dies als Erfolg ihrer Kampagne feierten. Die gesellschaftliche Atmosphäre von Hass und Gewalt verschärfte sich weiter. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass der Zuzugsstopp die Atmosphäre in Cottbus beruhigt. Auf diesem Weg wird es nicht gelingen, eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und des vorurteilsfreien Zusammenlebens verschiedener Menschen in der Stadt zu fördern. Erfahrungen in anderen Städten zeigen, welche Strategie eine veränderte Atmosphäre ermöglicht hat: Wichtig ist, dass alle Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Bildung, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft Rassismus und Rechtsextremismus als Problem klar benennen und sich für Demokratie einsetzen. Hierzu gehört zu allererst ein Perspektivwechsel auf die von Rassismus und rechter Gewalt Betroffenen, getragen von einer politisch geförderten demokratisch engagierten Zivilgesellschaft.

Wir halten eine öffentliche Diskussion für dringend erforderlich, die die bestehende Verunsicherung der Menschen in der Stadt ernst nimmt. Eine solche Debatte kann nur gelingen, wenn die Gleichwertigkeit und die Würde aller ihr Ausgangspunkt ist. Nehmen wir die Gleichwertigkeit aller Menschen ernst, dann werden andere Themen in den Mittelpunkt rücken. Wir werden über soziale Ungleichheit in nationalen und globalen Zusammenhängen reden. Wir werden über die Folgen des Strukturwandels im Land Brandenburg reden, über die Ressourcen, die der Stadt Cottbus zur Verfügung stehen und die den Rahmen für öffentliche Infrastruktur bilden. Wir werden reden müssen über die Lage von sozialen Randgruppen in der Stadt und von den Verunsicherungen in den sozioökonomisch abgehängten Regionen. Wir reden dann nicht mehr über Einheimische und Flüchtlinge, sondern über die Bedingungen, unter denen alle nach ihrer Fasson leben können.

Mit Zustimmung blicken wir auf das Versprechen, unter anderem mehr Stellen für Soziale Arbeit in Cottbus einzurichten. Die BTU Cottbus-Senftenberg bildet in Sachsendorf jedes Jahr nahezu 100 Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen aus. Viele dieser jungen Menschen haben großes Interesse, in der Region zu bleiben und hier ihren Beitrag zur Weiterentwicklung einer gerechteren Gesellschaft zu leisten. Oft genug erleben sie aber wenig gesellschaftliche und berufliche Anerkennung, die sich unter anderem in unzureichenden Arbeitsbedingungen äußert. Wir gehen davon aus, dass eine stärkere Anerkennung der Leistung von
Sozialer Arbeit auch zu einem solidarischen Zusammenleben aller in Cottbus beiträgt. Allen Beteiligten muss aber bewusst sein, dass die angedeuteten Probleme deutlich mehr verlangen, als die Soziale Arbeit auszubauen.

Wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dazu auf, öffentliche Signale gegen rechtsextreme Gewalt und Alltagsrassismus zu setzen. Dies ist die Basis eines demokratischen Dialogs mit der Stadtgesellschaft, an der wir uns als Bürgerinnen und Bürger und als ExpertInnen beteiligen wollen. Die Zukunft von Cottbus liegt nicht in Ausgrenzung und Zuzugsstopp. Die Zukunft liegt darin, eine Vision davon zu entwickeln, wie Menschen, mit verschiedenen Erfahrungen, Wünschen, Lebensentwürfen, mit verschiedenen Ressourcen und Fähigkeiten auf der Basis gegenseitigen Respekts zusammenleben können.

Lehrende und Mitarbeitende des Instituts für Soziale Arbeit an der BTU Cottbus: Prof. Dr. Birgit Behrensen, André Berndt, Dipl. Soz. Päd. Kathrin Coobs, Dr. Oda Baldauf-Himmelmann, Harald Kunz, Prof. Dr. Burkhard Küstermann, Prof. Dr. Ulrich Paetzold, Prof. Dr. Norbert Pütter, Prof. Dr. Heike Radvan, Prof. Dr. sc. Agnes Saretz

Hinweise der Cottbuser Polizei

Am Samstag, den 03.02.2018, finden im Cottbuser Innenstadtbereich mehrere Versammlungen in Form von Aufzügen statt. Daher müssen sich Verkehrsteilnehmer in der Zeit von 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr auf Verkehrseinschränkungen einstellen. Diese werden im Besonderen den Altmarkt, den Bereich um den Gerichtsberg, die Bahnhofstraße und die Karl-Liebknecht-Straße betreffen.


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