
Der Cottbuser "Feuerwerks-Papst" Professor Wolfgang Spyra, vielen in der Region bekannt von Feuerwerksvorführungen und als Professor der BTU Cottbus mit seinen Pyrotechnikvorlesungen, nimmt sich den Bengalos und weiterer Pyrotechnik in Fußballstadien an. In einer öffentlichen Ringvorlesung am Zentralcampus der BTU in Cottbus lädt er alle Befürworter und Kritiker der Pyrotechnik in den Hörsaal ein.
Er, der Feuerwerker, weiß, wovon er redet und manche Fans träumen: Eskapaden in Fußballstadien. Bekannt ist, dass Fangruppen einiger Fußballvereine nicht ohne das Zündeln mit Pyrotechnik bei Sportveranstaltungen auskommen wollen. Grelle Bengallichter brennen bei extrem hohen Temperaturen und oftmals unter extrem starker Rauchentwicklung ab, gefährden Besucher und stören die Sportveranstaltung. Dann gibt es noch den Paukenschlag und das laute Knallen mit Überschüssen an Feuerwerkskörpern aus Silvester und nicht selten auch noch mit illegal eingeführten Böllern aus unseren Nachbarländern.
"Den meisten Zündern sind die Gefahren, die von Pyrotechnik ausgehen, überhaupt nicht bekannt. Der Kick, Frust oder Freude, lassen jedes Gefühl von Gefahr in den Hintergrund rücken. Das ist ein Problem. Darüber können Interessierte mit ihm im Rahmen der Ringvorlesung diskutieren. Denn er kann das Verlangen nach „Action“ sehr wohl verstehen. Lustfeuerwerk ist sein Metier.
„Diese pyrophilen Fangruppen genießen auch eine gewisse Umfeldsolidarität“, so Prof. Spyra. "Wenn Ordner oder auch die Polizei den „Abbrenner“ identifizieren wollen, weil er andere und sich akut gefährdet, „verdichtet“ sich das Umfeld um den Zündler. Ein Vordringen zum Verursacher würde nur mit Anwendung von kräftiger Gewalt möglich sein. In Abwägung der Risiken verzichtet die Exekutive in den meisten Fällen auf den Zugriff, da in Folge körperliche Auseinandersetzung, Panik oder gar katastrophenähnliche Zustände entstehen können. Es geschieht in den Stadien relativ selten, aber es gibt genügend Beispiele, in denen Fangruppen einander mit Pyrotechnik bekämpfen. Ist kein Gegner greifbar, gelingt es ihnen mit Sicherheit, einen solchen zu finden."
Die Sicht der Einen ist zugleich die Sorge der Anderen, welche die verheerenden Folgen von Pyrotechnik einschätzen können. Aufgrund dessen hat der Gesetzgeber zum Gebrauch von Pyrotechnik ein Gesetz erlassen, in welchem der sachgerechte Umgang geregelt ist. In einem Fußballstadion werden diese Kriterien jedoch nicht erfüllt.
"Wir starten eine wissenschaftliche Untersuchung, bei der wir den Weg von Pyrotechnik von außerhalb des Stadions bis zum Abbrennen nachvollziehen wollen." Dafür ist ein Modellprojekt in Cottbus geplant. Sein Team und er hat bereits den FC Energie Cottbus bezüglich einer Zusammenarbeit angefragt, eine Antwort steht noch aus. Der Verein musste in den vergangenen Jahren immer wieder Strafen aufgrund von Bengalos und Böllern, die Fangruppierungen des FCE in Stadien gezündet haben, bezahlen. Beim 50. Vereinsjubiläum am 31.01.2016 gegen Fortuna Köln folgte auf eine groß angelegte Choreographie vor Beginn des Spiels eine massive Pyroaktion mit Bengalos zu Beginn der zweiten Halbzeit, bei der Personen im Unterrang durch heruntertropfende Schlacke verletzt und Sachschaden verursacht wurde. Im Laufe dieser Saison gab es weitere Vorfälle, woraufhin Energie Cottbus bereits 7.000 Euro Strafe zahlen musste.
"Die Schlacke der bengalischen Feuer wird bis zu 2.500 Grad Celsius heiß und der farbige Rauch ist toxisch. Das unterschätzen viele oder verharmlosen die Gefahr für sich und Umstehende." spricht Professor Spyra aus Erfahrung. Indes sieht Spyra eine Kooperation des FCE in der Thematik mit der BTU als positives Signal: "Die Strafen sind kein Pappenstiel. Die Sportgerichtsbarkeiten könnten eine Zusammenarbeit wohlwollend aufnehmen und das Thema interessiert auch andere Verbände und Vereine. Wichtig ist, wirtschaftliche Erwägungen dürfen die Sicherheit in Stadien nicht hintenanstellen lassen. Es darf nicht interessieren ob gewisse Fans wegbleiben, wenn die Regeln und Verfolgungsmöglichkeiten verschärft werden, andere kommen dafür wieder mit der Familie, wenn sie wissen, dass es sicher ist und das Erlebnis Fußball im Vordergrund steht."
Wolfgang Spyra ist sich darüber bewusst, dass das Thema in doppelter Hinsicht Sprengstoff ist. "Ich bin darauf eingerichtet das Fangruppen in den Hörsaal kommen. Ich setze dennoch auf Einsicht, denn das ist der einzige Weg, der uns in der Diskussion voranbringt. Es ist der Versuch zu zeigen, mit welchen Folgen man rechnen muss, wenn etwas schiefgeht. Als Pyrotechniker der mit Herz und Seele dabei ist und den Schwarzpulvergeruch liebt, finde ich solche Dinge unmöglich und möchte das möglichst verhindern. Menschen die andere mit Pyrotechnik gefährden wollen wir dingfest machen."
Herzlich eingeladen sind alle Interessierten, insbesondere auch Fans von Vereinen, die sich mit dem Problem der Pyrotechnik auseinandersetzen. Fragen, Alternativen, Vorschläge sind in der sich anschließenden Gesprächsrunde sehr willkommen.
Datum: Freitag, 27. Januar 2017, 17.30 bis 19 Uhr
Ort: Großer Hörsaal, Zentralcampus, Konrad–Zuse–Straße 4, 03046 Cottbus
Prof. em. Dr.-Ing. Wolfgang Spyra nahm nach seiner Lehre zum Chemielaboranten ein Studium der Chemie auf und promovierte 1980 an der TU Berlin. Nach einigen Jahren Tätigkeit an der TU Berlin wurde er 1983 zum Direktionsleiter der polizeitechnischen Untersuchungen beim Polizeipräsidenten in Berlin ernannt.
Seine Leidenschaft zur (Nach)Forschung setzte er ab 1994 an der BTU Cottbus fort. Er war Inhaber des Lehrstuhls Altlasten mit Forschungsschwerpunkten wie Erkundung, Bewertung und Sanierung von (schutzgutbelasteten) Flächen, sowohl militärischen Liegenschaften als auch Industrieliegenschaften, Toxikologie, Erkundung und Entsorgung chemischer und konventioneller Kampfmittel, Umweltkriminalität und andere.
Seine Studierenden begeisterte er nicht nur in den fachbezogenen Veranstaltungen, sondern auch mit feuerwerkstechnischer Ausbildung und Eventbegleitenden Feuerwerken. Heute doziert Prof. Spyra im Weiterbildenden Studiengang Forensic Science and Engineering (M.Sc.) an der BTU Cottbus-Senftenberg und leistet darüber hinaus wichtige Netzwerkarbeit für die Universität.
Die öffentliche Ringvorlesung im Wintersemester 2016/17 des Weiterbildungszentrums der BTU Cottbus–Senftenberg in Kooperation mit dem Studiengang Forensic Sciences & Engineering steht unter dem Titel: "Forensic Sciences: Der Tat auf der Spur". Experten geben Einblicke in die Welt der Spurensuche, -analyse und -bewertung. Das Themenspektrum erstreckt sich von der Suche nach Leichen über die Staatsanwaltschaft bis hin zum unsachgerechten Umgang mit Pyrotechnik und zum Aufdecken von Kunstfälschungen. Im Anschluss an jeden Vortrag können alle Interessierten mit den Experten im Hörsaal ins Gespräch kommen.
Foto: Christiane Weiland